Bekanntermaßen bestimmen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und deren Veränderungen das Leben aller Bürger des Staates und damit auch das der Kinder und Jugendlichen. Die daraus resultierenden Belastungen führen zu erheblichen innerfamiliären und individuellen Problemlagen.
Die Pluralisierung hat die Veränderung der Tradition zur Folge. Dadurch verlieren Normen und Werte weitgehend ihre bindende Kraft und werden somit aushandelbar. Die Pluralisierung von Normalität lässt Orientierungsmaßstäbe verschwinden und führt dazu, dass die ganz alltägliche Lebensbewältigung und die ganz normale Lebensführung zu einer eigenen, ungewissheitsbelasteten, riskanten Aufgabe wird. So wird bereits im 8. Jugendbericht auf das erhebliche Risiko hingewiesen, das die Offenheit der Lebenssituation mit sich bringt. Jugendliche werden durch die Komplexität und Vielfalt überfordert, da ihnen kaum noch klare Maßstäbe vermittelt werden, die sie für sich als Entscheidungsbasis heranziehen könnten. (BMJFFG, 1990, S.30) Zusätzlich lösen sich traditionelle Klassen- und Schichtverhältnisse zunehmend auf. Die sozialen Milieus, die Bindungen in Familien, Nachbarschaft, Ethnie oder einer bestimmten (Sub) – Kultur und Religion werden geringer oder verschwinden ganz. Das kann einerseits zu individueller Vereinsamung, andererseits zur Bildung neuer Gemeinschafts- und Solidaritätsformen führen. Jugendhilfe könnte eine solche Möglichkeit für neue Bindungsformen sein.
Schaut man sich die Entwicklung der Familie seit Mitte der 60er Jahre an, so kann man die kontinuierliche Deinstitutionalisierung der bürgerlichen Familie verzeichnen. Die Erosion normativer Verbindlichkeiten hat also auch auf das traditionelle Familienmuster der Kernfamilie übergegriffen.
Der andere problematische Familientyp, die Stiefeltern-/ Patchwork-Familie, hat die Fragmentierung der Elternschaft eines Elternteils in die biologische und soziale Elternschaft zur Folge. Bei Kindern und Erwachsenen gibt es häufig unterschiedliche Vorstellungen darüber, wo die Außengrenze der Familie verläuft. Die Haltung der Kinder gegenüber dem Stiefelternteil, er respektive sie gehöre trotz all ihrer Bemühungen nicht dazu, ist in diesem Familientyp wiederum Anlass zu massiven Konflikten zwischen den Generationen. Die Verarbeitung der Andersartigkeit zur traditionellen Familie mündet sehr häufig in einer ‘als-ob-Normalität’ und lässt den aufgezeigten Konflikt in einem schwelenden Zustand. Entsprechend gebrochen sind die Sozialisationsbedingungen in solchen Familien. Orientierungen und Sicherheiten, die gerade wegen einer pluralisierten und individualisierten Umwelt notwendig werden, bleiben eben deshalb auf der Strecke.
“Die optionale Vielfalt der Erfahrungswelten und Bildungsmöglichkeiten steht jedoch nicht allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen offen und bietet nicht allen die gleichen Chancen zur Lebensplanung und Zukunftsgestaltung. Möglichkeiten zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe sowie für Aneignungs- und Lernprozesse differieren nach sozialer und ethnischer Herkunft, nach Geschlecht und Religion. Hieraus ergeben sich besondere Herausforderungen für die Organisation von Bildung, Betreuung und Erziehung.
Anstrengungen für die Ermöglichung einer gleichberechtigten Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildungsprozessen sind vor allem erforderlich angesichts
der erheblichen Anzahl von Kindern, die in Armut leben, insbesondere der Kinder von Alleinerziehenden sowie aus vor allem süd-/ osteuropäischen Migrantenfamilien. Herauszuheben ist in diesem Kontext der enge Zusammenhang zwischen ökonomisch benachteiligten Lebenslagen von Familien und dem Bildungsniveau der Eltern. Er weist auf den hohen Stellenwert von Bildung für die individuelle Lebensbewältigung hin und wirft die Frage auf, wie derartige “Armuts-Bildungs-Spiralen” durchbrochen werden können;
der geschlechtsspezifischen Unterschiede in den schulischen Leistungen der Heranwachsenden, den ungleichen Zugangsmöglichkeiten von Frauen und Männern zur Erwerbstätigkeit, zu hohen beruflichen Positionen und Gehaltsklassen sowie der nach wie vor bestehenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Familie. Dabei geht es nicht allein um die Verbesserung individueller, sondern auch gesellschaftlicher Perspektiven, denn die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass die wachsende Anzahl hoch qualifizierter Frauen aufgrund von Vereinbarkeitsproblemen von Beruf und Familie auf Kinder verzichtet;
teilweise erheblicher sozialräumlicher Unterschiede im Zugang zu Bildungsorten und Lernwelten.
Benachteiligt sind Kinder und Jugendliche, die in Stadtvierteln mit einer relativ homogenen Bevölkerungszusammensetzung aus niedrigen Sozialschichten – hierzu gehören auch viele Migrantenfamilien – aufwachsen, die in ländlichen Gebieten mit mangelnden Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangeboten leben, sowie Kinder und Jugendliche aus strukturell benachteiligen Gebieten mit einem mangelnden Arbeitsmarktangebot, hohen Abwanderungsquoten und infrastrukturellen Ausdünnungen. Großräumige Disparitäten finden sich sowohl zwischen Ost und West- sowie Nord- und Süddeutschland als auch zwischen und innerhalb von einzelnen Bundesländern.” (4)
Wir werden in der Prophylaxe wie auch im kurativen Bereich solchen Familien mehr Entlastung und Unterstützung zukommen lassen müssen. Ausgangspunkt ist der Kontext des Aufwachsens, der individuelle Lebenslauf, die reale Situation des Jugendlichen, die reale Auswirkung seiner, häufig prekären, Lebenslage auf ihn. Die Unterstützung bei der Analyse der Konflikte und die Herbeiführung neuer Lösungsmöglichkeiten sowie die Konstruktion neuer Sozialsysteme wird Hauptaufgabe der in der Jugendhilfe tätigen Träger sein. Hier kann das Projekt Husky “Aufsuchende Familienberatung” und systemische Beratungshilfe anbieten.
Das gesellschaftliche Verständnis und die Akzeptanz für solche Angebote sind gewachsen.
(4) zitiert nach 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung vom 2.9.2005, S. 21-22,
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